Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart sieht in der Klausel „Die Bauplatzeigenschaft wird zugesichert“ keine Garantie des Grundstücksverkäufers (Urteil vom 10. Januar 2012 (Az. 12 U 94/10).
Einleitung in das Problem: Gewährleistungsausschluss bei Grundstückskaufverträgen
Es gibt kaum solche unüberschaubaren und unvorhersehbaren Kaufgegenstände wie Grundstücke. Verkauft der Bäcker sein Brot, so weiß er, welche Zutaten er dem Brot beigemischt hat und wie es schmeckt. Verkauft ein Technikgeschäft einen Computer, so kennt es dessen Eigenschaften.
Niemand weiß aber so richtig, was sich alles auf und unter einem Grundstück verbirgt. Ist der Erdboden schadstoffbelastet, sind die Wände des Hauses einsturzgefährdet? Lebt der Holzwurm im Dachgebälk oder liegt eine Fliegerbombe im Garten vergraben, keinen halben Meter tief?
Zwar können viele Mängel eines Grundstücks durch umfassende Gutachten aufgedeckt werden. Sie sind aber zu teuer, als dass die Vertragsparteien bereit wären, sie umfassend in Anspruch zu nehmen. Und letzte Gewissheit können auch sie oft nicht verschaffen.
Das bürgerliche Recht sieht vor, dass ein Verkäufer für Mängel an der Kaufsache zu haften hat, auch wenn er den Mangel nicht kannte und auch nicht kennen konnte. Für den Grundstücksverkäufer bedeutet das deutsche Gewährleistungsrecht ein hohes Risiko, denn irgendetwas stimmt mit einem Grundstück meistens nicht. Jedenfalls ein Rücktrittsrecht stünde aus diesem Grund den meisten Grundstückskäufern zu.
Der Grundstücksverkäufer begegnet diesem Risiko, indem er den Abschluss des Grundstückskaufvertrages von einem Gewährleistungsausschluss abhängig macht – dies ist eine gängige Praxis bei Grundstückskaufverträgen. Der vereinbarte Haftungsausschluss entfaltet ausnahmsweise nur dann keine Wirkung, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. So sieht es das deutsche Kaufrecht vor.
Ob eine Garantie oder eine bloße Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, dies war im vorliegenden Fall die grundlegende Frage.
Zum Sachverhalt – Garantie oder Beschaffenheitsvereinbarung?
Die Klägerin ist ein Bauträgerunternehmen. Sie kauft Grundstücke, um auf ihnen Gebäude zu errichten und anschließend gewinnbringend weiterzuveräußern. Eben deshalb hat sie auch von der Beklagten ein Grundstück erworben. Im Grundstückskaufvertrag wurde die beklagte Verkäuferin von jeder Haftung für Mängel befreit. Jedoch: „Die Bauplatzeigenschaft wird zugesichert.“
Als die Klägerin bei der Gemeinde einen Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung stellte, kam es, wie es kommen musste: Die Baugenehmigung wurde abgelehnt, weil die Gemeinde in der Zwischenzeit einen neuen Bauplan für dieses Gebiet entworfen hatte. Die Gemeinde hatte deshalb eine Veränderungssperre erlassen: In dem Baugebiet durfte nichts mehr gebaut werden, bis der neue Bauplan festgelegt war.
Die Klägerin, die mit dem Grundstück nichts anfangen konnte, dachte an Rücktritt. Zwar sei die Mängelgewährleistungshaftung ausgeschlossen worden. Mit der Klausel „Die Bauplatzeigenschaft wird zugesichert“ habe die Beklagte aber eine Garantie dafür übernommen, dass das Grundstück bebaubar sei. Da es mangels Baugenehmigung nicht sinnvoll bebaut werden könne, liege ein Mangel vor, der zum Rücktritt berechtige.
Die Beklagte entgegnet, sie habe nicht dafür einstehen wollen, dass das Grundstück bebaubar ist und deshalb keine Garantie übernommen. Vielmehr sei hierin eine bloße Beschaffenheitsvereinbarung zu sehen: Die Parteien seien sich also einig gewesen, dass das Grundstück die Beschaffenheit aufweise, bebaut werden zu können. Eine Ausnahme zur vertraglich vereinbarten Haftungsfreistellung läge folglich nicht vor. Die Klägerin könne demnach nicht vom Vertrag zurücktreten.
Die Entscheidung des Gerichts: Keine Garantie, Käuferin gewinnt dennoch
Das OLG Stuttgart geht den Fall strukturiert an und definiert zunächst den Begriff der Garantie: „Der Verkäufer übernimmt mit der Garantie für die Beschaffenheit der Kaufsache die Gewähr für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit und gibt seine Bereitschaft zu erkennen, für alle Folgen des Fehlens der Beschaffenheit einzustehen (BGH NJW 2007, S. 1346, 1348).“ Besonderes Augenmerk sei darauf zu legen, ob der Verkäufer für die Beschaffenheit der Kaufsache einstehen will.
Genau dieses Einstandsbegehren konnte das OLG der Vertragsklausel aber nicht entnehmen. Denn zwar habe die Beklagte die Bauplatzeigenschaft zugesichert. Sie habe sich aber „erkennbar nicht bereit erklärt, für alle Folgen des Fehlens der Beschaffenheit einzustehen.“ Folglich enthalte die Klausel „Die Bauplatzeigenschaft wird zugesichert“ keine Garantie, sondern eine bloße Beschaffenheitsvereinbarung. Aus einer Garantie lasse sich das Rücktrittsrecht der Klägerin daher nicht ableiten.
Das OLG hilft der Klägerin aber schließlich auf einem anderen Weg weiter, dem es im Urteil nur einen einzigen Absatz widmet und statt ihn zu begründen, auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs verweist. Zwar sei die Mängelgewährleistung durch die Parteien ausgeschlossen worden, so das OLG, aber der Ausschluss beziehe sich nicht auf die Bauplatzeigenschaft, sondern nur auf alle sonstigen Mängel. Die Parteien hätten durch ausdrückliche Aufnahme der Klausel „Die Bauplatzeigenschaft wird zugesichert“ in den Vertrag zu erkennen gegeben, dass der zuvor vereinbarte Haftungsausschluss für diese Beschaffenheitsvereinbarung nicht gelten solle. Letztendlich hat das OLG der Klägerin über diesen Weg die Rücktrittsmöglichkeit vom Vertrag eröffnet.
Damit bleibt festzustellen:
Nur in Ausnahmesituationen kann sich der Grundstückskäufer auf seine Gewährleistungsrechte berufen. Meistens sind diese Rechte ausgeschlossen. Auch eine bloße Zusicherung ist keine Garantie. Der Grundstückskäufer muss sich so gut wie möglich über den Zustand des Grundstücks informieren.
Stichwörter: Grundstückskaufvertrag, Garantie, Beschaffenheitsvereinbarung, Rücktritt, Grundstücksrecht, Gewährleistungsrechte, Ausschluss der Gewährleistung.
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